Digitale Barrierefreiheit: Einführung und Umsetzungstipps für Unternehmen
Die digitale Welt bietet unzählige Möglichkeiten – allerdings nur, wenn alle Menschen uneingeschränkt daran teilhaben können. Digitale Barrierefreiheit stellt sicher, dass Websites, Apps und digitale Inhalte von jedem genutzt werden können – unabhängig von körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Doch nicht nur aus sozialer Verantwortung sollten digitale Dienstleistungen und Produkte zukünftig barrierefrei gestaltet werden. Ab Juni 2025 tritt in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Daraus ergeben sich für viele Unternehmen zukünftig auch gesetzliche Vorschriften. Doch was bedeutet digitale Barrierefreiheit genau, warum ist sie so wichtig und wie kann sie am besten umgesetzt werden?
Was ist digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit sorgt dafür, dass Software-Anwendungen, Websites und Online-Dienste für alle Menschen gleichermaßen nutzbar sind – ohne Einschränkungen oder Hindernisse. Auch im Internet soll gelten: Gleiche Chancen für alle. Dabei geht es nicht nur um Menschen mit Seh-, Hör oder motorischen Einschränkungen, sondern ebenfalls um eine bessere Benutzerfreundlichkeit, von der alle Menschen profitieren.
Warum ist die digitale Barrierefreiheit wichtig?
1. Inklusion für alle
Laut Statistiken leben allein in Deutschland rund 7,9 Millionen Menschen mit Behinderungen. Dazu kommen rund 18,9 Millionen Menschen mit einem Alter von 65 Jahren und älter, die ebenfalls Hör- oder Seheinschränkungen haben können. Barrierefreiheit ermöglicht ihnen uneingeschränkten Zugang zu digitalen Angeboten und stärkt ihre gesellschaftliche Teilhabe.
2. Gesetzliche Vorgaben
Ab dem 28. Juni 2025 tritt in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Das heißt, dass ab diesem Tag Unternehmen, die digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten, verpflichtet sind, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten. Wer frühzeitig optimiert, vermeidet spätere Nachbesserungskosten und mögliche Strafen.
3. Erweiterte Reichweite & bessere Nutzererfahrung
Barrierefreie Websites und Apps sind nicht nur hilfreich für Menschen mit Einschränkungen, sondern sie bieten allen Nutzern eine verbesserte Navigation, klare Strukturen und kontrastreiche Inhalte. Daraus ergeben sich eine optimierte Nutzererfahrung sowie im Idealfall längere Besuchsdauern. Auf diese Weise wirkt sich die digitale Barrierefreiheit ebenfalls positiv auf die den Traffic und die Performance einer Website in den Suchmaschinenrankings aus. Außerdem kann so ebenfalls die Conversion Rate des jeweiligen Unternehmens oder der jeweiligen Website gesteigert werden – also zum Beispiel Käufe im Online Shop, Anmeldungen zu einem Newsletter oder Klicks auf eine Werbeanzeige.
Die 4 wichtigsten Prinzipien der digitalen Barrierefreiheit
Die Grundlage für digitale Barrierefreiheit – und damit die Standards, auf die Website-Betreiber in Zukunft achten verstärkt achten sollten – bilden die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese Standards sehen wie folgt aus:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen visuell und auditiv zugänglich sein, damit der Screenreader Websites oder Textausgaben über eine Sprachausgabe akustisch wahrnehmbar machen kann. Zudem sollen Inhalte nicht allein über Farben vermittelt werden, sondern immer auch durch ein erklärendes Textfeld.
- Bedienbarkeit: Alle Funktionen müssen per Tastatur und Hilfsmittel steuerbar sein und durch verschiedene Navigationswege unterstützt werden. Auf Blinken und Blitzen von verschiedenen Elementen soll ebenfalls verzichtet werden. Falls Websites eine Zeitbegrenzungen einzelner Interaktionsschritte einsetzen, wie zum Beispiel bei einem Test oder Quiz, muss die Zeit für alle ausreichend sein.
- Verständlichkeit: Klare Sprache sowie gut lesbare und verständliche Texte sind essenziell. Fachbegriffe, Abkürzungen oder anderssprachige Wörter sollen kurz erläutert werden.
- Robustheit: Alle Content-Elemente sollten beispielsweise von Assistenztechnologien auslesbar sein.
Umsetzungen und Best Practices
Um digitale Barrierefreiheit umzusetzen, können Unternehmen und Organisationen folgende Schritte befolgen (4-Schritte-Plan):
1. Analyse und Planung
- Führen Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer digitalen Angebote durch.
- Identifizieren Sie Barrieren und erstellen Sie einen Aktionsplan zur Beseitigung.
2. Zieldefinition
- Setzen sie klare Ziele und Meilensteine.
- Bedenken Sie bei Ihren Plänen zur Umsetzung der Barrierefreiheit auch stets die eigene Unternehmensstrategie sowie Leitlinien zur Corporate Social Responsibility mit.
3. Technische Umsetzung
- Befolgen Sie Standards, wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG).
- Implementieren Sie die barrierefreien Funktionen auf Ihren digitalen Produkten oder Dienstleistungen.
4. Testen und Optimieren
- Führen Sie regelmäßige Tests mit Betroffenen durch.
- Nutzen Sie Screenreader und andere Hilfsmittel zur Überprüfung.
- Optimieren Sie kontinuierlich basierend auf Feedback und Testergebnissen.
5. Bewusstsein schaffen und schulen
- Sensibilisieren Sie das gesamte Team für die Bedeutung digitaler Barrierefreiheit.
- Führen Sie Schulungen durch, um Mitarbeiter mit den Grundlagen und Best Practices vertraut zu machen.
6. Kontinuierliche Prüfung und Optimierung
- Überprüfen Sie die Anforderungen der digitalen Barrierefreiheit kontinuierlich auf Neuerungen.
- Führen Sie regelmäßige Anpassungen durch, um den aktuellen Standards zu entsprechen.
Analyse-Tools und technische Ressourcen
Um die eigene Website oder App auf Barrierefreiheit zu testen, können diese Tools Sie unterstützen:
- Google Lighthouse (prüft Barrierefreiheit, Performance & SEO)
- VoiceOver (Screenreader Tool)
- Manuelle Tests mit Screenreadern
Checkliste zur Umsetzung
Bei Umstellung zur digitalen Barrierefreiheit sind viele verschiedene Aspekte zu beachten – eine Aufgabe, die deshalb schnell überfordernd wirken kann. Während vor allem die Richtlinien und Gesetze die Gesamtheit der umzusetzenden Punkte im Detail aufführen, möchten wir Ihnen bereits eine erste Übersicht zu Schlüsselfaktoren der Barrierefreiheit geben. Dazu haben wir hier eine kurze Liste mit den allerwichtigsten Barrierefreiheitsfaktoren zusammengestellt:
1. Barrierefreies Webdesign
- Verwendung von Alt-Texten für Bilder und Grafiken
- Hoher Farbkontrast für bessere Lesbarkeit
- Skalierbare Inhalte und flexible Layouts
- Verzicht auf blinkende Elemente zur Epilepsie-Prävention
2. Barrierefreie Inhalte
- Klare Strukturierung mit Überschriften (H1, H2, H3)
- Einfache Sprache ohne unnötige Fachbegriffe
- Untertitel für Videos & Transkriptionen für Audioinhalte
- Alternativen für komplexe Zeigergesten oder Wischbewegungen
3. Technische Maßnahmen
- Unterstützung von Screenreadern (z. B. NVDA, JAWS)
- Tastatur-Navigation ohne Maus ermöglichen
- Eindeutige Linktexte statt „Hier klicken“
- Anpassbare Schriftgrößen und Zoom-Funktion
Welche Herausforderungen bringt die digitale Barrierefreiheit mit sich?
Durch die fehlende Sensibilisierung sind sich viele Entwickler und Designer der Barrieren nicht bewusst. Hinzukommt, dass Ästhetik erstmal eine nebensächliche Rolle spielen wird, da beispielsweise verschiedene Farbkombinationen mit integriertem Text nicht barrierefrei sind. Daher kann es von Vorteil sein, mit spezialisierten Anbietern und externen Experten zusammenzuarbeiten, die Ihr Unternehmen bei der Umsetzung unterstützen können. Auf Dauer sollten Unternehmen langfristig interne Kompetenz aufbauen, um digitale Barrierefreiheit eigenständig umzusetzen.
Ein weiterer Punkt ist die Komplexität der barrierefreien Umgestaltung von Websites. Besonders große Internetpräsenzen benötigen umfassendere Optimierungen, weshalb diese sich so früh wie möglich mit dem Thema digitale Barrierefreiheit auseinandersetzen sollten, um sich um die nötigen Änderungen zu kümmern. Zudem sind nachträgliche Anpassungen oder spätere Änderungen oft teurer als eine frühzeitige Planung. Des Weiteren gibt es verschiedene Förderungen, bei denen Unternehmen, die mit ihren Anpassungen zur digitalen Barrierefreiheit beitragen, unterstützt werden.
Ausblick: digitale Barrierefreiheit mit KI umsetzen
Die digitale Barrierefreiheit entwickelt sich weiter, insbesondere durch KI-gestützte Technologien. Automatische Texterkennung, Sprachausgabe und barrierefreie Chatbots verbessern den Zugang zu digitalen Inhalten. Die KI ermöglicht ebenfalls die Automatisierung verschiedener Prozesse zur Verbesserung der Barrierefreiheit. Unter anderem kann die KI einen Teil der Arbeit zur Umsetzung abnehmen, indem sie beispielsweise Bildbeschreibungen generiert oder Untertitel und Audiodeskriptionen für Videos automatisch erstellt.
Fazit – von der Pflicht zur Chance für Unternehmen
Digitale Barrierefreiheit ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit, um für mehr Inklusion, bessere Usability und rechtliche Sicherheit im Netz zu sorgen. Unternehmen, die jetzt handeln, profitieren von einer größeren Zielgruppe, positiven Nutzererfahrungen und einer verbesserten Markenwahrnehmung und gewinnen so langfristig einen Wettbewerbsvorteil.